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Verfahren

Skurriles Recruiting Teil 1: Tattoos und Tequila

Lieber Gast,

seit Beginn meiner Tätigkeit in der Auswahl von Mitarbeitern, in der Berufseignungsdiagnostik und im Online-Assessment ab 2008 gab es schon manches Bewerbungsverfahren, das nicht den Anforderungen der DIN 33430 entsprach.

Sondern deren alleinige Quelle die Kreativität, der Glaube oder das Marketing und Vertrieb der Entscheider, Berater oder Verkäufer war.

Natürlich sind innovative Methoden zum Anwerben, und vor allem: dem Halten, von Arbeitskräften angesichts des Mangels an geeigneten Personen in vielen Branchen gefragt – Und das Employer Branding bzw. Arbeitgebermarketing feiert sich in einer Vielzahl von Spielarten und seine mehr oder weniger großen Erfolge.

Doch zwischen dem Employer Branding und der Auswahl und Entscheidung für oder gegen einen Bewerber sollten wir trennen – Und Letztere auf fundierte Methode nach dem aktuellem Stand von Wissenschaft und Technik fußen.

Doch wie gesagt, diese Trennung und die Nutzung bewährter Verfahren zur Eignungsdiagnostik passiert nicht immer so, wie eine Reihe von Praxisbeispielen zeigt. Eines habe ich heute mitgebracht:

Inspiriert wurde ich zu dieser Newsblog-Reihe vom Sammeln des renommierten Kollegen Joachim Diercks von CYQUEST, der in seinem Recrutainment Blog schon so manches skurrile Recruiting beschrieb, und durch einen heutigen Artikel im Düsseldorfer Lokalteil der Rheinischen Post, der es in sich hat: Denn dieses Recruiting zielt buchstäblich unter die Haut, in den Magen und auf den Kopf!

Worum geht es? Wir wir im Artikel »Tattoos und Tequila für den Traumjob« von Laura Wagener lesen, leidet auch die Hotelkette Ruby in Düsseldorf unter dem Fachkräftemangel in der Gastronomie (siehe Foto als Quelle):

Laut der Website hat das Hotel-Unternehmen derzeit 22 freie Stellen in Düsseldorf an drei Standorten in der Landeshaupt (Hinweis: 119 insgesamt in 14 europäischen Städten): Vom Assistant Housekeeper über den Resident / Hotel Manager bis zum Supervisor Service & Reception finden sich dort zirka 10 verschiedene Arten von Positionen.

Im Text zitierter Artikel in der Rheinischen Post vom 11.07.2023 (Foto: S. Klemens)

Im Falle der Ruby Hotels stammt die Idee zur neuen Employer Branding Kampagne wohl direkt aus der Umgebung von Gründer und CEO Michael Struck, wie wir aus der Pressemitteilung der Hotelkette zu deren Start an unter dem Slogan “Ready for a new tattoo?” lesen.

Und hier erfahren wir auch, dass dieses skurrile Recruiting nicht auf Düsseldorf beschränkt ist, sondern ab Juni in Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH-Region) sowie Großbritannien und den Niederlande startete. Und weiter heißt es in der Pressemitteilung:

»Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels, der durch die Pandemie noch einmal verstärkt wurde, gilt es neue und innovative Wege im Recruiting zu finden und sich von der breiten Masse abzuheben«

Und wie Uta Scheurer, Vice President Human Resources, weiter ausführt: »Ruby ist eine Love Brand für Teamplayer, die Charakter, Seele und Individualität schätzt«.

Jeder neue Mitarbeiter (w, m, x) erhalte laut der Website nach sechs Monaten im Job einen Zuschuss für ein Tattoo – Alternativ auch ein Piercing oder eine neue Frisur, wer, so möchte ich anmerken, Angst vor der Nadel hat, bereits eine ausgedehnte Körperbemalung oder -durchstechung hat. Oder die oder der nicht ganz so offen von seiner Persönlichkeit her ist, und bei einer neuen Frisur schon drucksen muss.

Doch ist der dann bei einem Ruby-Hotel überhaupt richtig? Müssen alle Mitarbeiter dort, egal welchen Geschlechts, eigentlich immer offen für alles sein? Ist eine hohe Offenheit für Erfahrung arbeitspsychologisch – und auch ethisch – immer besser?

Also persönlichkeitspsychologisch gesprochen nach dem Fünf-Faktoren-Modell (Big Five): Sehr hohe oder mindestens hohe Werte auf der Persönlichkeitseigenschaft Offenheit für Erfahrung aufweisen? Und ist das überhaupt, nochmals betont, für alle ausgeschriebenen Positionen sinnvoll?

Nun, dies sollte man natürlich gut prüfen! Denn auch konservative Ausprägungen (also eher geringe Offenheitswerte) sind für manche Arbeitsanforderungen, Jobs und Stellen besser geeignet – und wie alle Persönlichkeitsausprägungen zu rund 50 Prozent genetisch festgelegt (und damit zu 50 Prozent durch die Umwelt).

Denn wohl nicht alle Ruby-Mitarbeiter sollen oder können ihre Kreativität und Individualität im Job ausleben, nehme ich mal an. Und schließt ein solcher Ansatz nicht viele Menschen aus, die dennoch gerne die Belegschaft der Hotelkette verstärken können und / oder wollen, auch wenn sie etwas konservativer sind? Heißt Vielfalt bzw. Diversity nicht die Gemeinschaft des gesamten Persönlichkeitsspektrums?

Einige Fragen bleiben! Doch ich weiß vielleicht zu wenig über die Hotelbranche allgemein oder den Erfolgsansatz der Ruby-Hotels (der ja bewusst laut der Unternehmenssprecherin anders ist) und gehe davon aus, dass die Geschäftsführung und das HR-Management weiß was es tut.

Und wie ein altes Sprichwort sagt: Der Erfolg gibt Recht! Natürlich nur, wenn der Erfolg einer Maßnahme auch mit hoher Wahrscheinlichkeit, d.h. mittels Evaluation und quasi-experimentellem Design, auf diese zurückgeführt werden kann – was heute durch Digitalisierung sowie Small und Big Data jedoch einfacher möglich ist.

Gelingt also das von Ruby Hotels gesetzte Ziel, dass jeder Mitarbeiter seine individuelle Story schreiben wird, und seine eigene Persönlichkeit zeigen und auch bei der Arbeit zu leben kann?

Ich bin skeptisch!

Wie ist der Ablauf des Ruby-Recruitings in Düsseldorf?

Am 04. August 2023 findet »Tats & Tequila in der Ruby Luna« von 14 bis 19 Uhr ohne Anmeldung statt (Tats = Tattoos). Doch jeder Interessent solle einen kurzen Lebenslauf dabei haben laut der Rheinischen Post, denn so ganz ohne Dokumentenanalyse geht es auch nicht.

In informeller Atmosphäre sollen die Bewerber dort die Personaler überzeugen, dass die passende Ruby-Persönlichkeit und die notwendigen Kompetenzen haben. Die Gespräche bzw. Interviews laufen dann hoffentlich zwar informell, doch nicht unstrukturiert statt, sondern strukturiert, damit diese – qualitätsbezogen gesprochen – auch objektiv, reliabel und valide ist.

Anders ausgedrückt: Damit die Interviews zwischen den Bewerbern auch vergleichbar sind, eine hohe Genauigkeit und eine hohe Gültigkeit hinsichtlich der interessierenden psychologischen Merkmale (Kompetenzen, Fähigkeiten, Persönlichkeitsausprägungen) haben.

Und wer diese Interview-Phase erfolgreich meistert, der bekommt sofort ein Jobangebot sowie die Möglichkeit, sich vor Ort tätowieren zu lassen – Oder wie wir im RP-Artikel lesen einen kostenlosen Drink.

Wie bitte? Nur ein kostenfreies Getränk? Hm, auch wenn es Tequila ist, so scheint mir doch die Vergleichbarkeit in der Belohnung arg unterschiedlich! Oder habe ich etwas verpasst, und die Alkohol- und Wasserpreise sind so durch die Decke geschossen? Ok, es ist derzeit heiß, doch so heiß? 😉

Aber vielleicht sehe ich das alles etwas antiquiert und glaube einfach, dass die Auswahl von Mitarbeitern auf fundierter Eignungsdiagnostik beruhen sollte. (Nachher kann man dann ja immer noch zusammen einen Tequila trinken, “From Dust till Dawn” schauen und George Cloonys Filmtattoos darin bewundern).

Doch vielleicht ist ein solcher Ansatz der Selbst-Selektion (nur die passende Zielgruppe wird zum Bewerber) erfolgreich, wie es auch im Self-Assessment als Teil des digitalen Assessments gemacht wird.

Und dann kann man bei einem solchen Prozess auch gerne innovativ und spielerisch vorgehen, wie es Joachim Diercks mit CYQUEST und dessen Recrutainment bzw. Gamification-Ansatz beweist (siehe hierzu meine Rezension zu seinem Buch als Co-Autor).

Ein Gedanke kommt mir noch: Möglicherweise ist das Ruby-Recruiting noch subtiler: Denn interessierte Kandidaten in Düsseldorf können für das Tattoo aus 60 bis 80 Motiven wählen. Hier sei laut Laura Wagener von der Rheinischen Post von Old School über Geometrie bis Fineline für jeden Geschmack etwas dabei.

Da wäre doch eine Analyse über die Wahl der Jobgeschenke interessant: Was sagt es uns, dass jemand ein Tribal wählt? Und ein Totenkopf? Eine Rose oder einen Schmetterling? Oder gar keine Tätowierung, sondern ein kostengünstigeres Getränk (mit oder ohne Alkohol?). “Geht nicht!” wirfst Du ein? Genau: Das Jobangebot steht ja bereits vorher fest.

Doch wer die Probezeit besteht oder nicht: Da könnte man im Zuge der Validierung des Auswahlverfahren drauf schauen … 😉

Fazit

Wie ist das skurrile Recruiting der Ruby Hotels nun zu bewerten? Sicher, die Aufmerksamkeit bei der gewünschten Zielgruppe kann somit eher erreicht werden, als auf klassischen Wegen wie Stellenanzeigen.

Und das Tattoo ist ja nicht nur eine besondere Belohnung, sondern hat auch ein besonderes Bindungspotenzial: Jeder wird sich erinnern, dass er dieses Tattoo durch Ruby bekam – Und vielleicht eine geringere Wechselbereitschaft an den Tag legen.

Wir kennen das aus z.B. aus Studentenverbindungen oder Sekten und deren Aufnahmeritualen: Je schwieriger und /oder schmerzhafter diese waren, desto stärker wird die Bindung an und dere Einsatz für die Gruppe! Ein klassischer sozialpsychologische Effekt (Buchtipp: Robert Cialdini, 2017: Die Psychologie des Überzeugens.)

Doch werden auch diejenigen von der Ruby-Kampagne angezogen, die wirklich zu den ausgeschriebenen Stellen passen?

Wie bereits oben ausgeführt: Es werden sich eher Personen mit sehr hohen bis hohen Offenheitswerten beim Ruby-Tag einfinden. Die passen dann natürlich auch eher zur Unternehmenskultur, doch Achtung: Auch zu den unterschiedlichen Jobs mit seinen unterschiedlichen Anforderungen?

Ich bezweifle es. Denn eins ist klar für mich: Auswahl von Menschen mittels fundierte Eignungsdiagnostik und Verfahren laut DIN 33430. Das ist die Grundlage! Und da bin ich beratungsresistent!

Herzliche Grüße, Stefan Klemens

Nachtrag:

Um Missverständnisse vorzubeugen: Zur Anwerbung von Mitarbeitern, also zum Arbeitgeber-Marketing (denn darum geht es beim Employer Branding, und nicht um Personalmarketing; Personal gab es übrigens im Kaiserreich! Siehe Oswald Neubergers Schriften), sind kreative und innovative Methoden notwendig und sinnvoll.

Nur bei der anschließenden Auswahl und Entscheidung sollte man auch ganz genau hinschauen, dass die Kompetenzen der Bewerber auch zu den zuvor definierten und natürlich von Stelle zu Stelle unterschiedlichen Arbeitsanforderungen passen: Dem Person-Job-Fit.

Natürlich ist auch der Person-Culture-Fit wichtig, der ja mit der Ruby-Kampagne eher im Fokus steht, doch was nützt es dem Unternehmen, wenn die Person, wie gewünscht eine hohe Offenheit an den Tag legt, doch z.B. bei der Buchführung, der Planung von Abläufen oder dem Umgang mit Hotelgästen genauso kreativ und individuell vorgeht?

Links:

https://www.eventbrite.de/e/tats-and-tequila-the-recruiting-event-from-ruby-hotels-tickets-662194982017

https://happeningnext.com/event/tats-and-tequila-the-recruiting-event-from-ruby-hotels-eid4so44173xa1

https://rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/ruby-hotels-in-duesseldorf-recruiter-locken-mit-tatttoos_aid-93318941

Definition von Skurrilität laut Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Skurrilit%C3%A4t

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Fachbeiträge

Künstliche Intelligenz in der Eignungsdiagnostik

Lesetipp mit Leseprobe als PDF zum Download: Der Beitrag von Markus Langer und weitere Autoren im aktuell erschienenen Kongressband des Forum Assessment e.V. zu den Themen digitales Assessment und Künstliche Intelligenz in der Eignungsdiagnostik.

Lieber Gast,

Künstliche Intelligenz verändert die Arbeitswelt – und das People & Culture Management. Auch wenn dieser neue Name für das Human Resource Management (HRM) eher durch den ähnlichen Hype um die »New Work« entstand, so verändert der Einsatz von Algorithmen, höhere Mathematik und Rechenpower auch diesen Bereich.

Künstliche Intelligenz im Human Resource Management (KI im HRM) startet dieses Jahr durch den Boom von ChatGPT voll durch und ist auf der Agenda vieler Entscheider. Erste Ansätze und Use Cases gab es natürlich schon früher in den HR-Bereichen Recruiting, Retention Management (Mitarbeiterbindung), Talentmanagement und Weiterbildung (Stichwort: EdTech).

Tipp: Siehe auch meine Newsblogbeiträge zu Künstlicher Intelligenz im Human Resource Management auf der Website von Schorberg Analytics.

Gerade die HR-Tätigen in der Anwerbung, Auswahl, Führung und Entwicklung von Mitarbeitern (Employer Branding, Recruiting, Assessment, Leadership, Development; um in der englischer Sprache zu bleiben) sehen sich mit einer Reihe von Verfahren, Anbietern und Ansätzen konfrontiert, die mehr oder weniger diese HR-Prozesse und Aufgaben verbessern.

Und die gleichzeitig versprechen die Anbieter mit ihren Angeboten, die Leistung, die Motivation, die Arbeitszufriedenheit und das Wohlbefinden der Beschäftigten zu fördern.

Auch die berufliche Eignungsdiagnostik (Professional Assessment) als ein wichtiger Teil der Auswahl und Entwicklung von Auszubildenden, Mitarbeitern und Führungskräften muss mit Künstlicher Intelligenz umgehen und sie für sich nutzen.

Welche Herausforderungen und Lösungen es bei dieser Automatisierung durch Algorithmen gibt, das hat Markus Langer in seinem Online-Vortrag »Künstliche Intelligenz für Alle(s)? Wie Algorithmen die Eignungsdiagnostik verändern« am 23. März 2023 einem Werkstatt-Bericht des Forum Assessment dargestellt.

Es war ein spannender Abend, und wie ich gestern erfuhr, basierte seine Präsentation auf einem Vortrag, den Markus Langer auf dem 10. Assessment Kongress des Forum Assessment e.V. hielt. Diese Tagung fand statt am 01. und 02. Dezember 2022 in Potsdam.

Zum Referenten: Dr. Markus Langer ist Professor für Digitalisierung in psychologischen Handlungsfeldern an der Universität Marburg und forscht über menschlich-zentrierte und erklärbare Künstliche Intelligenz, Vertrauen bei Automatisierung, algorithmisches Entscheidungsverhalten und die Auswahl von Mitarbeitern mit digitalen Instrumente wie Video-Interviews.

Seine letzten Publikationen zu diesen Themen, zum Teil mit anderen Forschern, erschienen in folgenden Fachzeitschriften: Journal of Business and Psychology, im European Journal of Work and Organization Psychology, Psychologischen Rundschau, Personnel Psychology und im International Journal of Selection and Assessment.

Doch halt! Sie haben sowohl die Online-Präsentation des angewandten Forschers im Ende März als auch seinen Kongressvortrag Anfang Dezember 2022 verpasst? Und interessieren sich wie ich für das Thema und die Ergebnisse von Markus Langer?

Dann habe ich folgende Lösung für Sie: (die am Ende noch besser wird! Also dranbleiben.)

Kongressband des Forum Assessment

Dann habe ich eine gute Nachricht: Erst kürzlich im Juni erschien der Kongressband zur 10. Tagung des Forum Assessment im Pabst-Verlag (Pabst Science Publishers), der natürlich neben vielen weiteren spannenden Beiträgen auch Markus Langers »Automatisierung in der Eignungsdiagnostik: Wie Algorithmen die Eignungsdiagnostik verändern« enthält (Seiten 111 bis 136).

Cover des Kongressbandes | Quelle: Pabst Science Publishers

Mehr Informationen zum Kongressband liefert der Verlag:

»Künstliche Intelligenz und Big Data verändern die Personalarbeit. KI analysiert Texte, Stimmen, Mimik und zieht Rückschlüsse auf die Persönlichkeit. Chancen und Risiken der Künstlichen Intelligenz für die HR-Arbeit standen im Mittelpunkt des 10. Assessment-Kongresses. Darüber hinaus reflektieren und konkretisieren HR-ExpertInnen verschiedenste Herausforderungen und konventionelle Praktiken im Kontext der aktuellen Entwicklungen am Arbeitsmarkt. Kritische Anmerkungen zur üblichen Praxis werden wissenschaftlich belegt – z.B. die hohe Aussagekraft, jedoch zurückhaltende Anwendung von Intelligenztests.«

Quelle: Pabst Science Publishers

Mindestens zehn weitere interessante Beiträge (von insgesamt 58) zum digitalem Assessment aus dem Inhalt des Kongressbandes finden sich:

  • AC-Tools werden digital – Beispiel Postkorb
  • Bewährt und zukunftsfähig – Intelligenztests in der Personalauswahl
  • Faire Personalauswahl mit Künstlicher Intelligenz – Segen oder Fluch?
  • Digitalisierung Assessment-/ Development Center – Optionen und Erfahrungswerte
  • Persönlichkeitsfragebogen in der Personalauswahl – Soziale Erwünschtheit und Faking, Risiken und Strategien
  • Algorithmen-basierte Personalauswahl – Wie LkW-Fahrer*innen ihren Traumjob finden können
  • KI-basierte und passgenaue Personalentwicklung – Ein Prototyp
  • Dos & Don´s bei der Einführung digitaler Tools – Von der Idee bis zur Implementierung
  • Stand der Forschung zu Gamifizierung und Game-based Assessment in der Personalauswahl
  • Personalgewinnung bei der Deutschen Bahn – Innovative Ansätze für eine nachhaltige & moderne Personalstrategie

Kosten und Bezug:

Der Kongressband umfasst 914 Seiten und kostet 30 Euro in der PDF- und 40 Euro in der Printversion. Er kann über den Verlag gekauft werden. Hinweis mit Stand: 05.07.2023: Printversion nicht verfügbar.

Vollständige Literaturangabe:

Forum Assessment (Hrsg.). (2023). ASSESSMENT GOES FUTURE. 10. Assessment Kongress 2022 des Forum Assessment. Lengerich: Pabst Science Publishers.

Leseprobe:

Eine Leseprobe, die zudem den Beitrag von Markus Langer enthält (!) – Sie haben doch bis zum Ende meines Beitrags gelesen, oder? – ist ebenfalls auf der Verlagsseite zum Kongressband hier verfügbar als PDF zum Download.

So, wer sich nur für den Beitrag von Markus Langer interessiert, der kriegt diesen kostenfrei. Da das Werk jedoch zahlreiche weitere Beiträge zum digitalem Assessment enthält lohnt sich die Investition in den Kongressband für alle, die sich mit diesem spannenden Thema beruflich in ihrer Arbeit und Organisation beschäftigen und sich über aktuelle und zukünftige Entwicklungen (»Assessment Goes Future«) informieren möchten.

Herzliche Grüße und alles Gute!

Stefan Klemens

PS: PS: Lust auf einen Austausch zu Künstlicher Intelligenz, People Analytics und Digital Assessment im People & Culture Management? Dann über LinkedIn vernetzen und / oder Termin für ein Treffen bei einem Videotelefonat vereinbaren!

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Fachliteratur

8 x Fachliteratur zum digitalem Assessment

Lieber Gast,

das digitale Assessment, häufig auch Online-Assessment oder eAssessment, hat sich zur Auswahl und Entwicklung von Führungskräften und Mitarbeitern etabliert!

Großunternehmen, der Öffentliche Dienst als auch größere mittelständische Unternehmen nutzen das digitale Assessment, um in Kombination mit anderen Instrumente wie Interview, Dokumentenanalyse oder Verhaltensbeobachtung, die passende Personen für das Anforderungsprofil einer Arbeitsstelle zu finden oder intern Mitarbeiter für eine bestimmte Position zu entwickeln.

Und das digitale Assessment bleibt wichtig auch in Zeiten von Fachkräftemangel und weniger Bewerber als früher, bei der das HR Marketing u.a. in Form des Employer Branding selbst für renommierte Namen wie Porsche oder Bosch (Quelle: Kienbaum People Convention) notwendig ist, und die Säcke mit den Bewerbungen ausbleiben, wie der Personalvorstand und Arbeitsdirektor des Automobilunternehmens aus Stuttgart zugab.

Denn, wie gerade gesagt, es kommt nicht nur auf die Zahl der Bewerber an, sondern auf deren Eignung und ihr Entwicklungspotenzial: Auch bei weniger Bewerbern muss der ausgewählte Kandidat auf jeden Fall die Mindestanforderungen erfüllen also bei denjenigen Merkmalen eine Ausprägung aufweisen, die für die Einarbeitung / das Onboarding und die folgende eigenständige Erfüllung seiner Aufgaben notwendig ist.

Nun gab und gibt es hier natürlich viele Beispiele, in denen Unternehmen nur die besten Bewerber wollen, diejenigen mit den höchsten Ausprägungen in den forderten Merkmalen und darüber hinaus auch sonst Erfahrungen haben, die zu möglichst schnellen, qualitativ hochwertigen und vielen Ergebnissen führen. Das hier bereits auch ohne Fachkräftemangel bei diesen Zielkonflikte auftauchen, wissen die meisten. Denn eine möglichst hohe Qualität lässt sich kaum mit sehr eiliger Arbeit vereinbaren.

So ist positiv zu sehen, dass diese Situation fehlender oder weniger Bewerber auch dazu führt, dass HR-Verantwortliche und Führungskräfte von allzu unrealistischen Anforderungen Abschied nehmen, und sich besser überlegen, welche Ausprägungen in welcher Höhe bei welchen Einstellungskriterien wirklich wichtig sind.

Im Grunde nichts Neues, denn die sorgfältige Erstellung eines Anforderungsprofils, eines realistischen Sollprofils, das die relevanten Erfolgsfaktoren im Blick hat, ist eine vorab zu erledigende Aufgabe in der beruflichen Eignungsdiagnostik und daher auch ein wichtiger Teil in der dazugehörigen DIN 33430 als etabliertem Qualitätsstandard.

1. Digitales Assessment in den 90ern: Plan A Day

Dies vorab geschrieben, kehren wir zurück zum Digitalem Assessment: Erste Instrumente und Prozesse hierzu gab es bereits in den 90er Jahren, als der Personalcomputer sich rasant verbreitete und das Internet startete.

Ich erinnere mich an ein Seminar im Hauptstudium der Psychologie an der Universität Bonn, in dem ein Mitstudent und ich das von Funke und Krüger (1993) entwickelte Softwareprogramm Plan-A-Day zur Diagnose der Planungsfähigkeit vorstellten.

Das diagnostische Softwareprogramm Plan-A-Day wurde danach vor allem graphisch stark verbessert und wird heute noch bei Schuhfried angeboten (aktuelle Autoren: Holt & Funke).

2. Technologischer und methodischer Fortschritt

Seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts hat sich in den fast 30 Jahren vieles getan vor allem in technologischer Hinsicht, weniger in den psychologischen, besser: psychometrischen Grundlagen von Testverfahren, Fragebogen oder Assessment-Center.

Neu sind jedoch die vielen computer- und internetbedingten Möglichkeiten der Testdurchführung und Testauswertung: Sei es die randomisierte, also zufallsbedingte Präsentation von Fragen und Aufgaben (Items), die Einbindung von Bildern, Videos oder spielerischen Elementen (Gamification, Recrutainment, Serious Games), die ortsunabhängige und somit weltweite Bearbeitung des Mess- und Beurteilungsverfahrens, die Ein- oder Anbindung in das Online-Bewerbungsverfahren des Kunden des Online-Testanbieters.

Hinzu kamen neue und notwendige Kontroll- und Auswertungsfunktionen Um die ordnungsgemäße und fälschungssichere Durchführung des digitalen Assessments zu erreichen, wie z.B. per eingeschalter Webcam, zeitkritischen Test, der Blockade von Computerfunktionen wie Screenshots und die automatisierte, fehlerfreie und zügige graphisch wie auch textbasierte Dokumentation in einem als PDF generierten Ergebnisbericht.

In einigen Fällen regte die technologische Entwicklung auch die Nutzung alternativer Messmodelle an (Raschmodell bzw. Item-Response-Theorie statt Eingrenzung auf klassische Testtheorie) und macht erst simulations- und vernetze Verfahren wie Situational Judgement Tests und Online-Postkörbe möglich oder erleichterte deren Entwicklung, Durchführung und Auswertung.

3. Fachliteratur in diesem Beitrag

In diesem Beitrag stelle ich meine Auswahl an Fachliteratur zum digitalem Assessment vor, wobei ich mich auf acht Fachbücher und Beiträge (Kapitel) in Fachbüchern beschränke und andere relevante Themen und Gebiete wie die DIN 33430 oder Eignungs- und Personaldiagnostik ausklammere. Doch wer das digitale Assessment beruflich nutzt, der sollte natürlich auch diese Fachliteratur kennen.

Die Literaturangaben habe ich chronologisch rückwärts geordnet (von 2023 bis 1994), sodass die Reihenfolge der Nennung keine Wertung oder Rangreihe darstellt.

Fangen wir mit einem Buch an, dass erst vor kurzem den Weg in die Öffentlichkeit fand, von ausgewiesen praktischen wie wissenschaftlichen Experten kommt, sich zwar auf einen Teilbereich, die Gamification bzw. das Recrutainment im Buchtitel fokussiert, doch inhaltlich grundlegende Informationen zum digitalem Assessment liefert.

4. Literaturtipps

Siehe auch meine Liste zu Fachbüchern rund um das Digitale Assessment.

1. Jansen, Diercks & Kupka, 2023

Wir beginnen unsere Literaturtipps mit einem Buch, welches Springer Gabler im Februar 2023 publizierte: Die zweite Auflage von »Recrutainment«, ein Begriff der vom Hamburger Unternehmen CYQUEST und seinem Geschäftsführer und Gründer Jo Diercks bereits vor über 20 Jahren erfunden wurde (siehe hierzu auch nachfolgend Konradt & Sarges, 2003).

Das Kunstwort Recrutainment leitet sich aus ab aus »Recruiting« und »Infotainment« und wird heute, wie auch im Untertitel zu lesen, auch als Gamification im HR-Management bezeichnet. Es handelt sich somit um spielerische Ansätze im Personalmarketing und der Personalauswahl, wie es in der ersten Auflage des Buches von 2013 im Untertitel heißt (damals mit dem Erstherausgeber Joachim Diercks).

Da ich dieses Werk von Jansen, Diercks & Kupka in dieser Rezension ausführlich vorstelle, beschränke ich mich hier auf einige zentrale inhaltliche Punkte. Ein wesentlicher Unterschied zur Erstauflage wird schnell deutlich:

Die Darstellung der wissenschaftlichen Grundlagen von Gamification bzw. Recrutaiment auf Basis in der Berufseignungsdiagnostik; diese werden in den ersten Kapiteln des Buches beschrieben.

Im Anschluss folgt in den weiteren Kapiteln die Einordnung und Rolle von Recrutainment im Recruiting, im Personalmarketing und in der Personalauswahl sowie zahlreiche Praxisbeispiele zum Self-Assessment und zum Online-Assessment. Wie sieht die Zukunft des Recruitings aus? Diese skizzieren die Autoren im letzten Kapitel.

Wem das digitale Assessment Teil seiner Arbeit ist, oder wer über dessen Einsatz entscheidet, der findet in diesem Buch viele Anregungen inbesondere natürlich zu dessen spielerischen Ansatz und seiner theoretisch-methodischen Fundierung und empirischen Bewährung, die in der zweiten Auflage auch durch den Erstautor Lars Jansen ausgedrückt wird, der Professor für Wirtschaftspsychologie ist.

Jansen, L. J., Diercks, J. & Kupka, K. (2023). Recrutainment: Gamification in Employer Branding, Personalmarketing und Personalauswahl (2. Auflage). Wiesbaden: Springer Gabler.
Rezension von Stefan Klemens

2. Stulle (Hrsg.), 2020

Die Führung von Menschen und Organisationen ist eine sehr, sehr alte Herausforderung, wie wir bereits in der Literatur der Antike, z.B. bei einer Reihe römischer und griechischer Autoren, lesen (z.B. Caesar, Cicero, Seneca, Platon).

Schön beschreibt z.B. Mark van Vugt in seinem Buch » Naturally Selected: The Evolutionary Science of Leadership« aus dem Jahr 2010, wie bereits unsere Vorfahren in kleinen Gruppen und Clans diese überlebenswichtige Aufgabe lösten, und wie sich Führung abhängig von der Zahl der geführten Menschen entwickelte und veränderte und in der Führung eines Landes, einer Nation und eines Staates gipfelte.

Die Auswahl und Entwicklung von Führungskräften war daher in jeder menschlichen Gesellschaft, ob ein zahlenmäßig kleiner Stamm, ein größerer Clan oder ein Volk oder später in wirtschaftlichen Organisationen von Kleinunternehmen über das mittelständische Unternehmen bis hin zum Großunternehmen und Konzern ein wichtige Angelegenheit.

Diese zentrale Bedeutung für den Organisationserfolg zeigt sich sowohl in deren Programmen und Instrumenten zur Auswahl und Entwicklung von Führungskräften als auch in negativen Presseberichten, wenn leitende Personen in Top-Positionen einem Unternehmen und möglicherweise der Gesellschaft durch ihr Handeln Schaden zu fügen.

Ich verzichte hier auf die Nennung aktueller oder klassischer Beispiele – ich glaube Sie kennen selbst eine Reihe. Dies führte u.a. zur Konzeption der »Dunklen Triade der Persönlichkeit« sowie zu Instrumenten zur Messung von Integrität, um Anzeichen für unternehmensschädigendes Verhalten bei Kandidaten zu entdecken (auch: kontraproduktives Verhalten).

Auswahl von Offizieren: Schon früh war auch die junge Disziplin der Psychologie in den 20er Jahren mit dieser Herausforderung konfrontiert, als die US-Armee in kurzer Zeit sehr viele zum Offizier und Unteroffiziere geeignete Menschen benötigte und hierzu erfolgreich die ersten Erkenntnisse und Instrumente der psychologischen Diagnostik wie Interview und Test nutzen.

Danach und im gesamten 20. Jahrhundert wuchs die Nachfrage nach geeigneten Instrumenten zur Beurteilung der Eignung von Menschen für Führungs- und Managementpositionen in Unternehmen, Behörden und anderen Organisationen. Ein Zusammenfassung und ein Ergebnis dieser Entwicklung war das umfangreiche von Werner Sarges erstmalig 1990 herausgegebene Buch Management-Diagnostik (2013: 4. Auflage, Hogrefe).

Der Begriff Management-Diagnostik als Teilgebiet der Berufseignungsdiagnostik verbreitete sich als Ergänzung und Alternative zu Führungsdiagnostik im deutschsprachigem Raum, und fand Eingang in dem Herausgeberband von Klaus Stulle aus dem Jahr 2020, der sich auf dessen Digitalisierung fokussiert und worauf sich dieser Literaturtipp bezieht.

Wie alle Bereiche und Instrumente der beruflichen Eignungsdiagnostik hat die Entwicklung der Technologie mit Personalcomputer, Internet und Intranet, Notebook, Tablet und Smartphone natürlich auch den Bereich Führung und Management erfasst. Verfahren zum digitalem Assessment dieser Merkmale gehörten sogar zu den ersten dieser Hard- und Softwareinstrumente, wie ein Blick in frühe Sammelbände zeigt (z.B. »PC-Postkorb« in Sarges & Wottawa, 2001; »Management-Fallstudien« in Fay, 2000)

Die frühen digitales Assessments von Führung und Management, sei es als Test, Fragebogen, Simulation, Planspiel, Arbeitsprobe oder PC-Postkorb, waren in den 90ern und Anfang der Nullerjahre häufig PC-basierte Verfahren, die mittels Diskette oder später CD-Rom auf einem Rechner installiert und vom Teilnehmer bearbeitet wurden.

Teilweise waren solche Verfahren auch bereits Teil eines IT-Testsystems wie das von Hogrefe, Eligo, pro facts oder von das Wiener Testsystem von Schuhfried (siehe Sarges & Wottawa, 2004, für eine Beschreibung dieser frühen Angebote).

Doch genug meiner etwas langen Vorrede, kommen wir jetzt zum Inhalt des Herausgeberwerkes von Klaus Stulle (2020): In 16 Kapiteln schreiben 31 Autoren über die Digitalisierung der Management-Diagnostik – fast ausschließlich aus der Praxis von Unternehmen oder dem öffentlichen Dienst.

Nach einer Einführung des Herausgebers geht es um Web-basierte Videointerviews (Kapitel 2), Psychometrie und Maschinelles Lernen bei digitalen Video- & Spielassessments (Kapitel 3), digitale Assessment Center (Kapitel 4 bis 6), Akzeptanz digitaler Medien, IT-gestützte Diagnostik von Teamarbeitskompetenzen (Kapitel 8), die Wirkung von Fallstudien auf die Akzeptanz von Assessment Centern, einen Digital Leadership Test (Kapitel 10), die Erfassung des digitalen Mindsets, Online-Referenzen, Feedbacktrends, die Messung der Unternehmenskultur (Kapitel 14), die Analyse der Kommunikation mittels Künstlicher Intelligenz sowie im letzten Kapitel um die Rolle der Persönlichkeit in der strategischen Frühaufklärung.

Das Buch bietet eine Vielzahl von Praxisbeispielen von Anbietern, Unternehmen und Verwaltungen, wie Führungs- und Managementkompetenzen mit digitalen Instrumenten gemessen und beurteilt werden können. Vorgestellt werden, wie Stulle im Vorwort schreibt und jeder selbst prüfen kann, echte Innovationen, die auf Informationstechnologien aufbauen zur Erhebung, Speicherung, Analyse und Bewertung der Daten von Menschen in (potenziellen) Führungs- und Managementpostionen.

Das Buch beinhaltet keine Bewertung der dargestellten Verfahren, sondern liefert eine Beschreibung dieser innovativen Verfahren, wie Stulle betont – Und jeder Leser solle und müsse sich daher selbst eine Urteil über die Nützlichkeit und Qualität machen.

Das Buch liefert somit jedem spannende Impulse, der professionelle Diagnostik zur Auswahl und Entwicklung von Führungskräften und Managern betreibt oder Entscheidungen hierzu verantwortet.

Tipp: Eine gute ergänzende Lektüre zu diesem Herausgeberwerk von Stulle ist das Buch von Kanning (2018): Diagnostik für Führungspositionen.

Stulle, K. P. (Hrsg.). (2020). Digitalisierung der Management-Diagnostik: Aktuelle Instrumente, Trends, Herausforderungen. Wiesbaden: Springer Gabler.

3. Diercks, 2020, in Verhoeven (Hrsg.)

Wer einen schnellen, knappen und relativ aktuellen Überblick über das digitale Assessment erlangen möchte, dem empfehle ich die 20 Seiten von Dierks im vom Tim Verhoeven (2020) herausgegebenem Buch »Digitalisierung im Recruiting«.

Wie auch in anderen Publikationen von Diercks trifft er die wichtig Unterscheidung zwischen digitalem Assessments zur Fremdselektion und zur Selbstselektion, d.h. Self-Assessments, die Bewerber unterstützen sich darüber klarer zu werden, ob und auf welche Stelle sie sich bewerben sollen.

Zu Beginn seines Buchbeitrags geht der Autor auf die wachsende Wichtigkeit des digitalen Assessments ein und zeigt auf, welcher Zusammenhang zwischen Selbst- und Fremdselektion besteht. Nach Kapiteln zu Online-Assessments zur Selbstauswahl (Self-Assessment) mit “Cultural Fit” und beruflicher Orientierung sowie als Auswahltests zur Bewerbervorauswahl schließt sein Text mit einer kurzen Ausblick zu Recruiting Analytics, Künstlicher Intelligenz und People Analytics.

Diercks, J. (2020). Online-Assessment: Von Orientierung und Matching über datengetriebene Personalauswahl bis hin zu People Analytics. In T. Verhoeven (Hrsg.). (2020), Digitalisierung im Recruiting: Wie sich Recruiting durch künstliche Intelligenz, Algorithmen und Bots verändert. (S. 79-99). Wiesbaden: Springer Gabler.

4. Ott, Ulfert & Kersting, 2017, in Krause (Hrsg.)

Auch der Beitrag von Michael Ott, Anna-Sophie Ulfert und Martin Kersting im Buch “Personalauswahl” von Herausgeberin Diana Krause ist mit rund 25 Seiten eine prima Einführung ins digitale Assessment.

Schauen wir uns den Inhalt an, so finden wir fünf Abschnitte: Nach einer Einleitung unterscheiden sie digitale Assessments anhand dreier Merkmalen (Selbst- und Fremdselektion; Testen und Informieren; Durchführung mit und ohne “Aufsicht”; Kombination der Gestaltungselemente). Danach gehen sie auf Besonderheiten bei der Durchführung als Folge des Online-Charakters ein (Usability, Datenschutz, Akzeptanz) und bewerten die Qualität von “Online-Assessments” und “Self-Assessment”.

Ihr folgendes Fazit bezieht sich auf die Punkte, die es bei der Konstruktion und des Einsatzes digitaler Verfahren zu beachten gilt (inkl. Checkliste), wo die Forschung hingehen sollte und ein letztes Schlusswort.

Der Beitrag ist eine gelungene Einführung mit Fokus auf das digitale Assessment für die berufliche Eignungsdiagnostik (weitere sind z.B. Personalmarketing und die Personalentwicklung) und bietet eine nachvollziehbare Systematik durch ein einfaches Prozessmodell mit drei Phasen (Interesse, Information, Entscheidung).

Weiter schärft ihr Beitrag den Blick für Details und eine saubere Differenzierung hinsichtlich wichtiger Merkmale von digitalen Assessments. Einige Praxisbeispiele von Unternehmen sind ebenfalls vorhanden. Wer Quellen zu ihren Ausführungen sowie weiterführende Informationen sucht, findet diese zudem in ihrem 70 Einträgen zu Literatur und Internet.

Ott, M., Ulfert, A. & Kersting, M. (2017). »Online-Assessments« und »Self-Assessments« in der Eignungsdiagnostik. In D.E. Krause (Hrsg.). Personalauswahl: Die wichtigsten diagnostischen Verfahren für das Human Resources Management (S. 215-242). Wiesbaden: Springer.

5. Steiner (Hrsg.), 2009

Wenden wir uns jetzt dem von Heinke Steiner herausgegeben Fachbuch »Online-Assessment« aus dem Jahr 2009 zu, dessen Anspruch es ist, Grundlagen und Praxis von Online-Tests im HR Management zu vermitteln:

In 21 Kapitel geben 24 Autoren vielfältige und umfassende Einblicke zum digitalem Assessment der damaligen Zeit:

Wir lesen zum Beispiel etwas zum Stand, zur diagnostisch-methodischen und technischen Sicht von Online-Tests. Anschließend finden wir drei Kapitel zum ihrem Einsatzbereich im Personalmarketing und vier Kapitel, wie Online-Tests in der Auswahl von Mitarbeitern eingesetzt werden.

Es folgt weiter der Einsatz des digitalen Assessments in der Personalentwicklung sowie in der Karriereberatung, beim Fernsehen und im interkulturellem Training. Der letzte Teil des Buches zieht ein Fazit und gibt einen Ausblick (u.a. zum Kompetenz- und Talentmanagement).

Das Werk ist meiner Recherchen nach das letzte im deutschsprachigem Raum veröffentlichte Buch, welches sich ausschließlich mit digitalem Assessment beschäftigt. Die neue Publikation, siehe oben, von Jansen, Diercks & Kupka (2023) fokussiert sich zwar ebenfalls auf Online-Assessment, doch legen neben grundlegenden Kapiteln zur Berufseignungsdiagnostik und zum digitalem Assessment ihren Schwerpunkt auf Gamification bzw. Recrutainment.

Interessant im Buch von Steiner ist die Gliederung des digitalen Assessments anhand abgrenzbarer HRM-Bereiche und seine insgesamt klare Struktur. Weiter finden wir neben wichtigen theoretischen und methodischen Klärungen eine Reihe von Praxisbeispielen wie Lufthansa, Conergy, Deutsche Bahn, Bremer Landesbank, Schweizer Fernsehen.

Auch wenn die Inhalte des Buches rund 15 Jahre sind, finden sich dort immer noch eine Reihe von Informationen, die für aktuelle Projekte zum digitalem Assessment nützlich sein können. Wie zuvor auch schon bei den anderen beiden Büchern zeigt sich, das die Praxis unabhängig von der technologischen Entwicklung heute vor ähnlichen theoretischen, methodischen und rechtlichen Fragen steht.

Und das ein guter struktureller Überblick und eine vertiefende Auseinandersetzung zum digitalem Assessments angesichts eines deutlich gewachsenen Marktes mit einer Vielzahl von Tests, Tools und Technologien, und dem neuen Hype Künstliche Intelligenz dessen Auswahl, Entscheidung und Einsatz erleichtern. [Tipp: Zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz siehe z.B. den Online-Vortrag von Markus Langer beim Forum Assessment]

Steiner, H. (Hrsg.). (2009). Online-Assessment – Grundlagen und Praxis von Online-Tests in Personalmarketing, Personalauswahl und Personalentwicklung. Springer Berlin Heidelberg.

6. Bartram & Hambleton (Hrsg.), 2006

Es überrascht nicht, dass Organisationen des angloamerikanischen Raums Vorreiter beim digitale Assessment waren: Schließlich startete hier die Verbreitung des Internet (dessen Vorläufer, das Arpanet, wurde zuvor in den USA lange vorher installiert), des Computers, des Smartphones und einer Reihe von weiteren Technologien.

Wie wir im vorletzten Kapitel des nachfolgenden Buches von Konradt & Sarges (2003) bei Bank lesen, startete der globale HR Dienstleister SHL ab 1997/1998 mit der Nutzung des »neuen Mediums« (das Internet) für psychometrische Tests und als Vertriebskanal für deren Ergebnisse.

Dave Bartram, damals bei der SHL Group in Großbritannien, und Ronald Hambleton, damals bei der Universität Massachusetts, waren im Jahre 2006 die Herausgeber dieses englischsprachigen Buches “Computer-Based Testing and the Internet”.

Es enthält 12 Kapitel von 17 Autoren, die Grundlagen des digitalen Assessments behandeln, den Stand der Forschung aufzeigen und Lösungen zu praktischen Herausforderungen skizzieren.

Neben einer Einführung zur “International Test Commission” finden wir in diesem Buch Inhalte zum digitalen Assessment wie:

Modellbasierte Innovationen, neue Test- und Itemoptionen, Architektur und Abläufe, die Bewerbersicht, der Einfluss von Technologie auf Testentwickler und Testbearbeiter, die Optimierung seiner Qualität (Autoren: Lutz F. Hornke & Martin Kersting!), Lizenzierung und Zertifizierung, Simulationen sowie die zukünftigen und unvermeidbaren Entwicklungen, Herausforderungen und Möglichkeiten für das IT-gestützte Diagnostik und psychometrische Tests.

Bartram, D. & Hambleton, R. K. (Hrsg.). (2006). Computer-Based Testing and the Internet: Issues and Advances. Chichester: John Wiley & Sons.

7. Konradt & Sarges (Hrsg.), 2003

Mit diesem Werk haben die beiden Herausgeber Udo Konradt und Werner Sarges das erste deutschsprachige Fachbuch zum digitalem Assessment für das Human Resource Management vorgelegt: In 17 Kapiteln berichten die 29 Autoren über die gesamte Bandbreite und Vielfalt computergestützter Eignungsbeurteilungen rund zehn Jahre nach Einführung des Internets und Intranets Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts.

Die Kapitel thematisieren z.B. Personalmarketing im Internet, Workflow-Management-Systeme, Recrutainment, internetgestütze Vorauswahl sowie Praxisbeispiele von Siemens, Postbank, Deutsche Bank, Otto und Merk sowie der Anbieter CYQUEST und SHL.

Joachim Diercks, der heute immer noch vorne dabei ist (siehe die 2. Auflage des Buches Recrutainment oben) beim digitalem Assessment und sich auf Gamification spezialisiert hat, ist interessanterweise der auch hier mit einem Beitrag – natürlich zu Recrutainment und CYQUEST, vertreten. Ein Urgestein trotz seiner noch jungen Jahren, was vielleicht an der guten Hamburger Seeluft liegen mag, wie ich mir erlaube, hier nicht ganz ernst natürlich, zu bemerken. Er versteht es sicher.

Es ist erstaunlich, wie bereits vor 20 Jahren sehr ähnliche Ansätze, Fragestellungen und Herausforderungen die Praxis des HR Managements bearbeitet. Das Buch bietet daher nicht nur aus historischer Sicht eine interessante Lektüre.

Ich habe dieses Fachbuch erst kürzlich für die vorliegende neue Gestaltung meines Angebots und dieser Website gebraucht erworben, um zu schauen, wo wir heute stehen, und wo die Wurzeln des digitalen Assessments liegen.

Und: Wie ein Stempel zu Beginn des Buches und der Aufkleber des Verkäufers, der Universitätsbuchandlung Leipzig, auf dessen Rückseite zeigt, handelt es sich um ein ehemaliges Exemplar der Stadt- und Kreissparkasse Leipzig.

Was mich an meine 1994 abgeschlossene Bankausbildung bei der Stadtsparkasse Düsseldorf erinnert und die erste Berührung mit Computern und IT-Systemen in der Arbeitswelt Und ein Hinweis darauf ist, dass eher konservative Kreditinstitute durchaus offen sind für technologische Innovationen.

Konradt, U. & Sarges, W. (Hrsg.). (2003). E-Recruitment und E-Assessment: Rekrutierung, Auswahl und Beratung von Personal im Inter- und Intranet. Göttingen: Hogrefe.

8. Hageböck (1994)

Wahrscheinlich das erste Fachbuch zur computergestützten Diagnostik in Deutsch und somit zum digitalem Assessment. Es fokussiert sich wie der Titel nahelegt auf die pädagogisch-psychologische Diagnostik. Beim Hogrefe Verlag ist das Buch vergriffen, doch zwei gebrauchte Exemplare sind beim Online-Antiquariat booklooker erhältlich (Stand: 23.05.2023).

Hageböck, J. (1994). Computerunterstützte Diagnostik in der Psychologie: die Entwicklung eines computergestützten Diagnosesystems für die Einzelfallhilfe in der Schulpsychologie. Verlag für Psychologie, Hogrefe.

5. Zusammenfassung und Fazit

Die besprochenen Fachbücher und Buchbeiträge bieten zahlreichen Anregungen, Erfahrungen und Praxisbeispiele sowie Einführungen zu den theoretisch-empirischen Grundlagen des digitalen Assessments, die in sowohl in der beruflichen Eignungsdiagnostik als Teil der psychologischen Diagnostik als auch in der Persönlichkeits- und Differentiellen Psychologie liegen.

Wenn gleich sie hie und da auch Beschreibungen der dahinter liegenden Technologien bieten, können diese natürlich nicht die relevanten Inhalte der Fachbücher aus der Informatik ersetzte. Wer hierzu einen verständlichen wie umfassenden Überblick sucht, der kann z.B. das IT-Handbuch von Kersken (2021) heranziehen.

6. Quellen, Tipps und Links

Fay, E. (Hrsg.).(2000). Test unter der Lupe III. Lengerich: Pabst Science Publishers.

Kanning, U. P. (2018). Diagnostik für Führungspositionen. Göttingen: Hogrefe.

Kersken, S. (2021). IT-Handbuch für Fachinformatiker*innen. (10. Auflage). Bonn: Rheinwerk.

Sarges, W. & Wottawa, H. (Hrsg.).(2004). Handbuch wirtschaftspsychologischer Testverfahren (2. Auflage). Lengerich: Pabst Science Publishers.