seit Beginn meiner Tätigkeit in der Auswahl von Mitarbeitern, in der Berufseignungsdiagnostik und im Online-Assessment ab 2008 gab es schon manches Bewerbungsverfahren, das nicht den Anforderungen der DIN 33430 entsprach.
Sondern deren alleinige Quelle die Kreativität, der Glaube oder das Marketing und Vertrieb der Entscheider, Berater oder Verkäufer war.
Natürlich sind innovative Methoden zum Anwerben, und vor allem: dem Halten, von Arbeitskräften angesichts des Mangels an geeigneten Personen in vielen Branchen gefragt – Und das Employer Branding bzw. Arbeitgebermarketing feiert sich in einer Vielzahl von Spielarten und seine mehr oder weniger großen Erfolge.
Doch zwischen dem Employer Branding und der Auswahl und Entscheidung für oder gegen einen Bewerber sollten wir trennen – Und Letztere auf fundierte Methode nach dem aktuellem Stand von Wissenschaft und Technik fußen.
Doch wie gesagt, diese Trennung und die Nutzung bewährter Verfahren zur Eignungsdiagnostik passiert nicht immer so, wie eine Reihe von Praxisbeispielen zeigt. Eines habe ich heute mitgebracht:
Inspiriert wurde ich zu dieser Newsblog-Reihe vom Sammeln des renommierten Kollegen Joachim Diercks von CYQUEST, der in seinem Recrutainment Blog schon so manches skurrile Recruiting beschrieb, und durch einen heutigen Artikel im Düsseldorfer Lokalteil der Rheinischen Post, der es in sich hat: Denn dieses Recruiting zielt buchstäblich unter die Haut, in den Magen und auf den Kopf!
Worum geht es? Wir wir im Artikel »Tattoos und Tequila für den Traumjob« vonLaura Wagener lesen, leidet auch die Hotelkette Ruby in Düsseldorf unter dem Fachkräftemangel in der Gastronomie (siehe Foto als Quelle):
Laut der Website hat das Hotel-Unternehmen derzeit 22 freie Stellen in Düsseldorf an drei Standorten in der Landeshaupt (Hinweis: 119 insgesamt in 14 europäischen Städten): Vom Assistant Housekeeper über den Resident / Hotel Manager bis zum Supervisor Service & Reception finden sich dort zirka 10 verschiedene Arten von Positionen.
Im Falle der Ruby Hotels stammt die Idee zur neuen Employer Branding Kampagnewohl direkt aus der Umgebung von Gründer und CEO Michael Struck, wie wir aus der Pressemitteilung der Hotelkette zu deren Start an unter dem Slogan “Ready for a new tattoo?” lesen.
Und hier erfahren wir auch, dass dieses skurrile Recruiting nicht auf Düsseldorf beschränkt ist, sondern ab Juni in Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH-Region) sowie Großbritannien und den Niederlande startete. Und weiter heißt es in der Pressemitteilung:
»Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels, der durch die Pandemie noch einmal verstärkt wurde, gilt es neue und innovative Wege im Recruiting zu finden und sich von der breiten Masse abzuheben«
Und wie Uta Scheurer, Vice President Human Resources, weiter ausführt: »Ruby ist eine Love Brand für Teamplayer, die Charakter, Seele und Individualität schätzt«.
Jeder neue Mitarbeiter (w, m, x) erhalte laut der Website nach sechs Monaten im Job einen Zuschuss für ein Tattoo – Alternativ auch ein Piercing oder eine neue Frisur, wer, so möchte ich anmerken, Angst vor der Nadel hat, bereits eine ausgedehnte Körperbemalung oder -durchstechung hat. Oder die oder der nicht ganz so offen von seiner Persönlichkeit her ist, und bei einer neuen Frisur schon drucksen muss.
Doch ist der dann bei einem Ruby-Hotel überhaupt richtig? Müssen alle Mitarbeiter dort, egal welchen Geschlechts, eigentlich immer offen für alles sein? Ist eine hohe Offenheit für Erfahrung arbeitspsychologisch – und auch ethisch – immer besser?
Also persönlichkeitspsychologisch gesprochen nach dem Fünf-Faktoren-Modell (Big Five): Sehr hohe oder mindestens hohe Werte auf der Persönlichkeitseigenschaft Offenheit für Erfahrung aufweisen? Und ist das überhaupt, nochmals betont, für alle ausgeschriebenen Positionen sinnvoll?
Nun, dies sollte man natürlich gut prüfen! Denn auch konservativeAusprägungen (also eher geringe Offenheitswerte) sind für manche Arbeitsanforderungen, Jobs und Stellen besser geeignet – und wie alle Persönlichkeitsausprägungen zu rund 50 Prozent genetisch festgelegt (und damit zu 50 Prozent durch die Umwelt).
Denn wohl nicht alle Ruby-Mitarbeiter sollen oder können ihre Kreativität und Individualität im Job ausleben, nehme ich mal an. Und schließt ein solcher Ansatz nicht viele Menschen aus, die dennoch gerne die Belegschaft der Hotelkette verstärken können und / oder wollen, auch wenn sie etwas konservativer sind? Heißt Vielfalt bzw. Diversity nicht die Gemeinschaft des gesamten Persönlichkeitsspektrums?
Einige Fragen bleiben! Doch ich weiß vielleicht zu wenig über die Hotelbranche allgemein oder den Erfolgsansatz der Ruby-Hotels (der ja bewusst laut der Unternehmenssprecherin anders ist) und gehe davon aus, dass die Geschäftsführung und das HR-Management weiß was es tut.
Und wie ein altes Sprichwort sagt: Der Erfolg gibt Recht! Natürlich nur, wenn der Erfolg einer Maßnahme auch mit hoher Wahrscheinlichkeit, d.h. mittels Evaluation und quasi-experimentellem Design, auf diese zurückgeführt werden kann – was heute durch Digitalisierung sowie Small und Big Data jedoch einfacher möglich ist.
Gelingt also das von Ruby Hotels gesetzteZiel, dass jeder Mitarbeiter seine individuelle Story schreiben wird, und seine eigene Persönlichkeit zeigen und auch bei der Arbeit zu leben kann?
Ich bin skeptisch!
Wie ist der Ablauf des Ruby-Recruitings in Düsseldorf?
Am 04. August 2023 findet »Tats & Tequila in der Ruby Luna« von 14 bis 19 Uhr ohne Anmeldung statt (Tats = Tattoos). Doch jeder Interessent solle einen kurzen Lebenslauf dabei haben laut der Rheinischen Post, denn so ganz ohne Dokumentenanalyse geht es auch nicht.
In informeller Atmosphäre sollen die Bewerber dort die Personaler überzeugen, dass die passende Ruby-Persönlichkeit und die notwendigen Kompetenzen haben. Die Gespräche bzw. Interviews laufen dann hoffentlich zwar informell, doch nicht unstrukturiert statt, sondern strukturiert, damit diese – qualitätsbezogen gesprochen – auch objektiv, reliabel und valide ist.
Anders ausgedrückt: Damit die Interviews zwischen den Bewerbern auch vergleichbar sind, eine hohe Genauigkeit und eine hohe Gültigkeit hinsichtlich der interessierenden psychologischen Merkmale (Kompetenzen, Fähigkeiten, Persönlichkeitsausprägungen) haben.
Und wer diese Interview-Phase erfolgreich meistert, der bekommt sofort ein Jobangebot sowie die Möglichkeit, sich vor Ort tätowieren zu lassen – Oder wie wir im RP-Artikel lesen einen kostenlosen Drink.
Wie bitte? Nur ein kostenfreies Getränk?Hm, auch wenn es Tequila ist, so scheint mir doch die Vergleichbarkeit in der Belohnung arg unterschiedlich! Oder habe ich etwas verpasst, und die Alkohol- und Wasserpreise sind so durch die Decke geschossen? Ok, es ist derzeit heiß, doch so heiß? 😉
Aber vielleicht sehe ich das alles etwas antiquiert und glaube einfach, dass die Auswahl von Mitarbeitern auf fundierter Eignungsdiagnostik beruhen sollte. (Nachher kann man dann ja immer noch zusammen einen Tequila trinken, “From Dust till Dawn” schauen und George Cloonys Filmtattoos darin bewundern).
Doch vielleicht ist ein solcher Ansatz der Selbst-Selektion (nur die passende Zielgruppe wird zum Bewerber) erfolgreich, wie es auch im Self-Assessment als Teil des digitalen Assessments gemacht wird.
Und dann kann man bei einem solchen Prozess auch gerne innovativ und spielerisch vorgehen, wie es Joachim Diercks mit CYQUEST und dessen Recrutainment bzw. Gamification-Ansatz beweist (siehe hierzu meine Rezension zu seinem Buch als Co-Autor).
Ein Gedanke kommt mir noch: Möglicherweise ist das Ruby-Recruiting noch subtiler: Denn interessierte Kandidaten in Düsseldorf können für das Tattoo aus 60 bis 80 Motiven wählen. Hier sei laut Laura Wagener von der Rheinischen Post von Old School über Geometrie bis Fineline für jeden Geschmack etwas dabei.
Da wäre doch eine Analyse über die Wahl der Jobgeschenke interessant: Was sagt es uns, dass jemand ein Tribal wählt? Und ein Totenkopf? Eine Rose oder einen Schmetterling? Oder gar keine Tätowierung, sondern ein kostengünstigeres Getränk (mit oder ohne Alkohol?). “Geht nicht!” wirfst Du ein? Genau: Das Jobangebot steht ja bereits vorher fest.
Doch wer die Probezeit besteht oder nicht: Da könnte man im Zuge der Validierung des Auswahlverfahren drauf schauen … 😉
Fazit
Wie ist das skurrile Recruiting der Ruby Hotels nun zu bewerten? Sicher, die Aufmerksamkeit bei der gewünschten Zielgruppe kann somit eher erreicht werden, als auf klassischen Wegen wie Stellenanzeigen.
Und das Tattoo ist ja nicht nur eine besondere Belohnung, sondern hat auch ein besonderes Bindungspotenzial: Jeder wird sich erinnern, dass er dieses Tattoo durch Ruby bekam – Und vielleicht eine geringere Wechselbereitschaft an den Tag legen.
Wir kennen das aus z.B. aus Studentenverbindungen oder Sekten und deren Aufnahmeritualen: Je schwieriger und /oder schmerzhafter diese waren, desto stärker wird die Bindung an und dere Einsatz für die Gruppe! Ein klassischer sozialpsychologische Effekt (Buchtipp: Robert Cialdini, 2017: Die Psychologie des Überzeugens.)
Doch werden auch diejenigen von der Ruby-Kampagne angezogen, die wirklich zu den ausgeschriebenen Stellen passen?
Wie bereits oben ausgeführt: Es werden sich eher Personen mit sehr hohen bis hohen Offenheitswerten beim Ruby-Tag einfinden. Die passen dann natürlich auch eher zur Unternehmenskultur, doch Achtung: Auch zu den unterschiedlichen Jobs mit seinen unterschiedlichen Anforderungen?
Ich bezweifle es. Denn eins ist klar für mich: Auswahl von Menschen mittels fundierte Eignungsdiagnostik und Verfahren laut DIN 33430. Das ist die Grundlage! Und da bin ich beratungsresistent!
Herzliche Grüße, Stefan Klemens
Nachtrag:
Um Missverständnisse vorzubeugen: Zur Anwerbung von Mitarbeitern, also zum Arbeitgeber-Marketing (denn darum geht es beim Employer Branding, und nicht um Personalmarketing; Personal gab es übrigens im Kaiserreich! Siehe Oswald Neubergers Schriften), sind kreative und innovative Methoden notwendig und sinnvoll.
Nur bei der anschließenden Auswahl und Entscheidung sollte man auch ganz genau hinschauen, dass die Kompetenzen der Bewerber auch zu den zuvor definierten und natürlich von Stelle zu Stelle unterschiedlichen Arbeitsanforderungen passen: Dem Person-Job-Fit.
Natürlich ist auch der Person-Culture-Fit wichtig, der ja mit der Ruby-Kampagne eher im Fokus steht, doch was nützt es dem Unternehmen, wenn die Person, wie gewünscht eine hohe Offenheit an den Tag legt, doch z.B. bei der Buchführung, der Planung von Abläufen oder dem Umgang mit Hotelgästen genauso kreativ und individuell vorgeht?
Persönlichkeitseigenschaften haben abhängig von Ihrer Umwelt mehr oder weniger starken Einfluss auf unser Verhalten – Im Beruf wie im Privatleben.
In einer Vorlesung zur Psychologie gab es zu meiner Studienzeit das folgende Beispiel einer starken Situation, in der Verhaltensvarianz, also Verhaltensunterschiede zwischen Menschen, nicht oder kaum auftreten:
1 Beispiel: Konformes Verhalten
Versetzen wir uns in eine ländliche Gemeinde oder in eine Stadtgemeinde von früher, in der der Kirchgang am Sonntag zur Norm gehörte und alle (ok, es gab sicher Ausnahmen, die es dann natürlich schwer hatten bzw. als Außenseiter gebrand markt wurde) den Worten des Pfarrers lauschten, mitsangen und auch das sonst üblichen Verhalten bei einer Messe zeigten.
Geringe Verhaltenunterschiede bei starken Situationen
Der Beobachter einer solchen Siutation konnte also keine oder kaum Unterschiede ausmachen – und auch die Kleidung glich sich und war festlich. Mancher Teilnehmer mag lauter gesungen haben als ein anderer, mancher leiser. Und ein anderer trat vielleicht vor die Gemeinde, um aus einem Apostelbrief zu lesen. Ingesamt waren die Verhaltensunterschiede gering, und dies natürlich auch erwünscht, um den typischen Ablauf und die Choreographie der religösen Zeromonie zu sichern.
Doch natürlich unterscheiden die Menschen sich in ihrem Verhalten, und wenn Sie die Kirche verlassen und der Zwang dieser starken Situation nachlässt, dann zeigen sich diese auch wieder: Einige Gottesdienstbesucher gingen in die Dorfkneipe, andere nachhause, andere brachen zu einem Sonntagsspaziergang auf.
Mehr Verhaltensunterschiede bei schwachen Situationen
Und so würden wir auch in einem Dorfe trotzt seiner stärkern Normen als z.B. in der Stadt mit viel mehr schwachen Situationen und weniger Konformitätsdruck, die Bandbreite an Persönlichkeitseigenschaften, genauer: deren Ausprägungen und deren Verhaltenkorrelate, von Menschen wiederfinden, wie sie z.B. im Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit aufgrund empirischer Befunde an großen und repräsentativen Personenstichproben in den verschiedensten Ländern klassifiziert sind. Hinweis: Mit einigen, jedoch wenigen kulturellen Abweichungen).
Andere starke Situationen
Wenn Dir das Beispiel zu religiös ist, dann denke einfach an die zahlreichen Situationen heute, die konformes Verhalten erwarten und notwendig machen, damit etwas funktioniert.
Andere starke Umwelten bzw. Situationen sind z.B. große Organisationen mit starken Hierarchien und Regeln (ok, immer weniger, doch es gibt sie noch wie z.B. die Bundeswehr oder ein Krankenhaus), Autofahrer und Halten an roter Ampel, Fans bei ein einem Fußballspiel, Besucher eine Musikonzerts; siehe zu starken Situationen auch die J-Kurvenhypothese nach Allport sowie die Forschung zu Konformität; siehe Quellen am Ende).
2 Das Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit
Dieser Beitrag würde zu weit gehen, um das Standardmodell der Persönlichkeitseigenschaften, das Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit (FFM), häufig auch als Big-Five-Modell oder OCEAN-Modell (die Buchstaben beziehen sich auf die fünf Dimensionen in englischer Sprache) bezeichnet, darzustellen. Hierzu gibt es jedoch zahlreiche frei verfügbare Quellen im Internet, wie z.B. bei der Wikipedia oder im Dorsch – Lexikon der Psychologie.
Eigene Arbeiten mit und zum Fünf-Fakoren-Modell
Ich selbst habe mich ab 2010 in dieses fundamental Modell, seine berufsbezogene Anwendung im Human Resource Management, besonders die Nutzung dazugehöriger Online-Fragebögen bei der Auswahl und Entwicklung von Personen und seiner Rolle bei der Prognose von Berufs- und Lebenserfolg, vertieft. Und hierzu eine Reihe von Publikationen veröffentlich sowie Studien, Analysen und Workshops durchgeführt.
Gene und integrative Persönlichkeitsmodelle
Spannend fand ich dabei immer die genetische und biologische Verankerung dieser fünf Persönlichkeitsfaktoren (synonym: -dimensionen, -eigenschaften) und deren Unterfaktoren (Fassetten) sowie deren Position und Einordung in die Gesamtpersönlichkeit, wie wir sie z.B. im nützlichen Drei-Ebenen-Modell von Dan McAdams oder im Persönlichkeitssystem von McRae & Costa finden.
Verbreitung und wachsende Bedeutung des Fünf-Faktoren-Modells
Das Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit hat als Strukturmodell und als eine faktoranalytisch entstandene Taxonomie (Klassifikation) von Persönlickeiteigenschaften seit seiner Akzeptanz und ersten Verbreitung in der Psychologie in den 80er Jahren des letzten Jahrunderts zuerst von Paul Costa und Robert McCrae (erste Arbeiten zur Existenz einer fünf Faktorenlösung stammen bereits aus den 40er und 60er Jahren) seit rund 15 Jahren auch außerhalb der Psychologie und im Bereich Wirtschaft und Verwaltung enorm an Bedeutung gewonnen.
Eine Reihe von allgemeinen und berufsbezogenen Online-Testverfahren zur Persönlichkeitsdiagnostik wurden entwickelt, zum Teil um die Messung eines sechsten Faktors oder um ebenfalls relevante berufsbezogene Motive erweitert.
3 Nutzung und Bedeutung von Persönlichkeitsmerkmalen für das HR Management
Zusammen mit leistungsbezogenen Merkmalen wie allgemeiner Intelligenz oder spezifischen wie Konzentrationsfähigkeit oder Planungsfähigkeit sowie besonderen digitalen Tests zur Führung sind Persönlichkeitseigenschaften und deren Messung in der heutigen Arbeitwelt – insbesondere bei höheren und Leitungspositionen etabliert, um den Erfolg einer Person diesbezüglich und die Entscheidung für oder gegen sie abzusichern.
Und auch bei Fachkräften und in der Ausbildung steigt das Interesse von Unternehmen an persönlichkeitsbezogenen Merkmalen für die Auswahl und Entwicklung von Bewerbern und Mitarbeitern.
Beispiel: Neugier-Skala
Neugier-Skala für Auszubildende: Ich habe z.B. 2020 und 2022 einen Test zur Messung der Neugier von Ausbildungsplatzbewebern inklusive der Messung sozial erwünschten Verhaltens für ein Testunternehmen entwickelt, anhand von ersten Daten optimiert und nach zwei Jahren wiederum dann mit einer deutlich größeren Stichprobe in Bezug auf dessen Itemqualität und Reliablitäten geprüft und eine Kurzversion daraus entwickelt.
New Work und Veränderungen der Arbeitswelt
Denn wenn wir zurück zum obigen Beispiel einer starken Situation blicken, in der die Bedeutung von Persönlichkeitseigenschaften gering ist, dann finden wir nämlich, dass die Stärke von Umwelten wie einer Organisation nachlässt, Hierarchien und Regeln abgebaut werden, und Vielfalt nicht nur zunimmt, sondern sogar gewünscht wird! (Stichworte wie Diversitä/Vielfalt, Eigenverantwortung, Selbstführung, Homeoffice, Sinn-Frage).
Wir haben es heute mit Arbeitswelten und einer New Work zu tun, in der mehr geht, als früher, in der Feedback von Mitarbeitern gefordert wird, der Arbeitsplatz in geistigen und Büroberufen zuhause, unterwegs oder auch im Unternehmen sein kann, in der neue Organisations- und Führungsformen notwendig sind, eingeführt oder ausprobiert werden (agiles und hybrides Arbeiten, Holokratie, Mitunternehmertum).
Und der Mitarbeiter somit viel mehr in Bezug auf die Gestaltung und Organisation seiner Arbeit selbst entscheiden kann oder muss (Stichwort: Job Crafting).
Dies hat natürlich auch mit dem demographischen Wandel zu tun, dem Absinken von Bewerberzahlen und dem Mangel an geeigneten Personen in Bezug auf klassische und neue Anforderungen und Entwicklungen, auf die Unternehmen reagieren bzw. besser natürlich rechtzeitig agieren müssen (z.B. Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Klima, globaler Wettbewerb).
Die Bedeutung des Individuums und seiner Merkmal wächst
Vor diesem skizzierten Hintegrund nimmt die Bedeutung des Individuums für den Organisations- und Berufserfolg zu: Seine körperlichen und geistigen Fähigkeiten, seine Persönlichkeit, seine Motivation und Leistungsbereitschaft, seine Interessen und sein Wohlbefinden werden wichtiger – was ja viele HR- und Führungsverantworliche erkannt haben und durch veränderte Prozesse, Rollen und Instrumente versuchen, zu meistern.
Und die Wichtigkeit der Berücksichtigung von anforderungsrelevanten Persönlichkeitsmerkmalen bei der Auswahl und Entwicklung lässt neben diesen Praxiserfahrungen sich auch mit Zahlen aus Studien untermauern, die eine bedeutsame Korrelation mit verschienden Kriterien für den Berufserfolg aufweisen
Und hier mal der Hinweis, dass Korrelationen von r = 0.2 nicht generell klein bzw. unbedeutsam sind, wie oft fälschlicherweise geschrieben wird! Siehe hierzu z.B. die Hinweise von Heinz Schuler zu den Studien, die die Höhe verschiedener medizinischer und psychologischer Korrelationen zwischen Intervention und Wirkung verglichen haben sowie zur Veranschaulichung von Korrelationen das Binomial Size Effect Display: Eine Vierfeldertafel mit Häufigkeiten.
Kommen wir nach dieser Einführung jetzt jedoch zu einem neuen Test zur berufsbezogenen Persönlichkeit, den der Hogrefe-Verlag im Mai 2023 veröffentlicht, und den ich für ein spannenes Instrument im Rahmen der beruflichen Auswahl und Entwicklung halte.
Der psychometrische Test O-PER-A: Occupational Personality Assessment, zu deutsch: Persönlichkeit im Arbeitskontext, wurde von Benedikt Hell und Katja Päßler entwickelt.
Benedikt Hell als der Erstautor ist seit 1999 als Wissenschaftler, Dozent und Berater für Eignungsdiagnostik tätig, wurde bei Heinz Schuler promoviert und ist seit 2012 Professor für Personalpsychologie an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW).
Gegenstand des O-PER-A
Das Verfahren erfasst die für Arbeitsumwelten zentralen Persönlichkeitseigenschaften – Und integriert die Annahmen und Erkenntnisse etablierter Persönlichkeitsmodelle, z.B. des Fünf-Fakoren-Modells (Big-Five), des HEXACO-Modells (Sechster Faktor H: Honesty – Humility, deutsch: Ehrlichkeit – Bescheidenheit) und der Modells der Dunklen Triade der Persönlickeit (Narzissmus, subklininische Psychopathie, Machiavellismus).
Der Einsatz des digitale Instrument oder der Printversion erfolgt in der beruflichen Auswahl und Entwicklung von Menschen sowie in der Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung.
Normierung O-PER-A
und an 1.500 deutschsprachigen Menschen normiert. Und: Zum Vergleich indidivueller Messergebnisse des Verfahrens gibt es spezifische Normen für das Geschlecht, für Berufstätige, Fachkräfte und Führungskräfte.
Persönlichkeitsdiemension des O-PER-A
Der “Occupational Personality Assessment” misst folgende sechs berufsbezogene Persönlichkeitsfaktoren (-dimensionen, -faktoren):
Gewissenhaftigkeit (Leistungsmotivation, Planen und Organisieren)
Offenheit (Offenheit für Neues, Offenheit für Ästhetik)
Integrität (Aufrichtigkeit, Bescheidenheit)
Gütekriterien und Bearbeitungszeit
Zur Reliablität des O-PER-A
Die Analysen zum Verfahren zeigen gute bis sehr gute Reliabilitätskoeffizienten zwischen r = 0,79 und 0,89 (Cronbachs Alpha). Die Retest-Reliabilität liegt zwischen r = 0,64 und 0,89.
Zur Validität des O-PER-A
Prognostische Validität (Spezialfall der Kriteriumsvalidität): Die Gültigkeit (Validität) der neuen berufsbezogenen Persönlichkeitstests O-PER-A und seiner Ergebnisse zur Vorhersage von Beurfserfolg zeigen die durchgeführten Studien: Demnach zeigt sich seine hohe prognostische Validität z.B. für Arbeitsleitung, Einkommen, Karriererfolg, freiwilliges Arbeitsengagement, kontraproduktives Verhalten, Stresserleben und Resilienz.
Konstruktvalidität: Die Prüfung der Validität des “O-PER-A” in Bezug auf das Konstrukt “Berufsbezogene Persönlichkeit” anhand des Fünf-Faktoren- und des HEXACO-Persönlichkeitsmodells (sechs Faktoren) bestätigte dessen faktorielle Stuktur.
Die gewöhnliche Bearbeitungszeit liegt zwischen 10 und 15 Minuten.
5 Zusammenfassung und Fazit
Wir sahen, wie starke Situationen zu konformen Verhalten von Menschen führen und sich somit Unterschiede im Verhalten, die zum Teil auf unterschiedliche Ausprägungen in bestimmten Persönlichkeitseigenschaften zurückführbar sind, weniger zeigen.
Doch die Entwicklung der Arbeitswelt geht in eine andere Richtung und zu schwachen Situationen: Menschen haben heute viel mehr als noch vor kurzem us mehreren Gründen Einfluss auf ihre Arbeit, ihren Erfolg im Beruf und den ihres Unternehmens. Arbeitssituationen werden vielfältiger, flexibler und komplexer, digitaler und individueller. Dadurch wächst die Bedeutung von psychologischen Merkmalen, von Persönlichkeit, Intelligenz und erfordert eine andere Art von Führung.
Mit dem neuen Test Occupational Personality Assessment (O-PER-A) aus dem Hause Hogrefe von einem annerkanten Fachmann liegt ein neues interessantes Verfahren zur berufsbezogenen Persönlichkeit vor, das inhaltlich und methodisch überzeugt sowie ökonomisch in zeitlicher Hinsicht ist.
Jeder der sich mit der Diagnostik von Persönlichkeit im Arbeitsbereich beschäftigt, sollte einen Blick darauf werfen!
Referenzen und weiterführende Informationen
Quellen und Literatur
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Hossiep, R. & Mühlhaus, P (2005): Personalauswahl und -entwicklung mit Persönlichkeitstests (2. Auflage). Göttingen: Hogrefe.
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Little, B. (2015). Mein Ich, die anderen und wir. Die Psychologie der Persönlichkeit und die Kunst des Wohlbefindens. Berlin Heidelberg: Springer Spektrum. [Hinweis: Rezension von Stefan Klemens hier auf Amazon.]
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Nettle, D. (2008). Warum du bist, wie du bist. Köln: Anaconda [Besonderer Tipp!]
Schwarzinger, D. (2020). Die Dunkle Triade der Persönlichkeit in der Personalauswahl: Narzissmus, Machiavellismus und subklinische Psychopathie am Arbeitsplatz. Göttingen: Hogrefe.
Saum-Aldehoff, T. (2020). Big Five. Sich selbst und andere erkennen (5. Auflage). Ostfildern: Patmos Verlag.
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Zitelmann, R. (2017). Psychologie der Superreichen: Das verborgene Wissen der Vermögenselite. München: FBV.
Projekte, Publikationen und Workshops von Stefan Klemens
Klemens, S. (2022). Online-Assessment: Konstruktion einer 15-Item-Version der Skala „Neugier“ und einer 5-Item-Version der Skala „Soziale Erwünschtheit“ im Auftrag eines Online-Test Unternehmen (2022).
Klemens, S. (2021). Beruf und Persönlichkeit: Wissenschaftliche Grundlagen und Praxisbücher. Blogbeitrag am 18.10.2021.
Klemens, S. (2021). Online-Assessment: Telefonische Beratung, Recherche, Vergleich und Dokumentation zu berufsbezogenen Persönlichkeitstests zur Beurteilung von Führungskräften für ein Recruiting-Unternehmen (2021).
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Klemens, S. (2019/2020). Online-Assessment: Konzeption, Recherche, Dokumentation, Entwicklung und Datenanalyse eines Online-Tests zur Messung des Persönlichkeitskonstrukts „Neugier“ bei Ausbildungsplatzbewerbern (kurz: „Neugier-Skala“) inklusive einer Kurzskala zur Erfassung sozial erwünschten Verhaltens für ein Online-Test Unternehmen.
Klemens, S. (2019). Persönlichkeitsforschung: Bei gierigen Menschen tickt das Gehirn anders – Mit fatalen Folgen. Beitrag für die Xing-Gruppe Wirtschaftspsychologie Düsseldorf am 18.09.2019. Düsseldorf: Klemens Consulting.
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Klemens, S. (2015). Wie emotional stabil ist James Bond? Beruf und Persönlichkeit: Mehr Erfolg mit den Big Five. Keynote für die Hochschule Pforzheim anlässlich der Vergabe des Deutschlandstipendiums am 29. Oktober 2015 an der Hochschule Pforzheim.
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Klemens, S. (2014). Persönlichkeitsunterschiede von Angela Merkel und Peer Steinbrück: Eine empirische Untersuchung zur Bundestagswahl 2013 mit dem Fünf-Faktoren-Modell (Big-Five). Abschlussbericht. Düsseldorf: Klemens Consulting.
Klemens, S. (2014). Persönlichkeit und Berufserfolg der Bewerber – Ein Blick hinter die Stirn? Präsentation und Workshop auf den A-Recruiter-Tagen 2014 am 22. Mai 2014 in Wermelskirchen. Veranstalter: U-Form Verlag.
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Klemens, S. (2011). Online-Assessment der Persönlichkeit von Ärztinnen und Ärzten auf Basis des Fünf-Faktoren-Modells (Big-Five) inklusive Hinweisen zur Optimierung der Personalauswahl und Eignungsinterviews auf Basis der DIN 33430. Präsentation und Workshop für eine Personalberatung am 14. und 15. Mai 2011 in Düsseldorf.
Klemens, S. und Wieland, R. (2005). Arbeitsbedingungen, Persönlichkeitsfaktoren und Gesundheit: Eine Studie in der IT-Branche. Vortrag auf der 4. Tagung der Fachgruppe Arbeits- und Organisationspsychologie in der Deutschen Gesellschaft für Psychologie vom 19. bis 21. September 2005 an der Universität Bonn.
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